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Neue Fragmente

Novalis


Von der geheimen Welt

Von der geheimen Welt vide 95, zweites Stück des "Athenäums".* 2223
[*Das Fragment, das durchaus von Novalis stammen kann, lautet: "Wenn Welt der Inbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch affiziert, so wird es der gebildete Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine müßte die beste sein, die nzan suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe."]

Die Welt ist die Summe des Vergangenen und von uns Abgelösten. 2224

Alle Erinnerung ist Gegenwart. Im reinern Element wird alle Erinnerung uns wie notwendige Vordichtung erscheinen. 2225

Alles ist Samenkorn. 2226

Was ist der Mensch? Ein vollkommner Trope des Geistes. Alle echte Mitteilung ist also sinnbildsam - und sind also nicht Liebkosungen echte Mitteilungen? 2227

Alles, was wir erfahren, ist eine Mitteilung. So ist die Welt in der Tat eine Mitteilung - Offenbarung des Geistes. Die Zeit ist nicht mehr, wo der Geist Gottes verständlich war. Der Sinn der Welt ist verlorengegangen. Wir sind beim Buchstaben stehngeblieben. Wir haben das Erscheinende über der Erscheinung verloren. Formularwesen. 2228

Nichts ist dem Geist erreichbarer als das Unendliche. 2229

Daß überall das Höchste, das Allgemeinste, das Dunkelste mit im Spiel ist und daher jede Untersuchung bald auf dunkle Gedanken stoßen muß, ist sicher. 2230

Eine ganz eigne Liebe und Kindlichkeit gehört, nebst dem deutlichsten Verstande und dem ruhigsten Sinn, zum Studium der Natur. Wenn erst eine ganze Nation Leidenschaft für die Natur empfäht, und hier ein neues Band unter den Bürgern geknüpft wird, jeder Ort seine Naturforscher und Laboratorien hat, dann wird man erst Fortschritte auf dieser kolossalischen Bahn machen, die mit ihr im Vcrhältnis stehn. 2231

Lebendige Kräfte - indirekt konstruierbare - Wunderkräfte.
Wolkenspiel - Naturspiel äußerst poetisch. Die Natur ist eine Äolsharfe - sie ist ein musikalisches Instrument - dessen Töne wieder Tasten höhererSaiten in uns sind. (Ideenassoziation.) 2232

Die Blüte ist das Symbol des Geheimnisses unsers Geistes. 2233

Toleranz und Kosmopolitism der Blumen. Streben nach individueller Alleinherrschaft der Tiere. 2234

Unendliche Ferne der Blumenwelt. Schauspielertalente. 2235

Am Ende beruht die Begreiflichkeit eines Phänomens auf Glauben und Willen. Mache ich ein Geheimnis aus einer Erscheinung, so ist es für mich eins. Es ist damit wie mit den Schranken. 2236

Wo ist der Urkeim, der Typus der ganzen Natur zu finden? Die Natur der Natur? 2237

Hätte man vollkommene Natur- und Begriffsbeschreibungen - Bestimmungen, so hätte man keine Gesetze nötig. 2238

Sollten die unabänderlichen Gesetze der Natur nicht Täuschung, nicht höchst unnatürlich sein? Alles geht nach Gesetzen und nichts geht nach Gesetzen. Ein Gesetz ist ein einfaches, lcicht ZU überschendes Verhältnis.
Aus Bequemlichkeit suchen wir nach Gesetzen. Hat die Natur einen bestimmten Willen oder gar keinen? Ich glaube beides: Sie ist jedem alles .... 2239

Sollte die Natur nicht an sich verständlich sein - gar keines Kommentars bedürftig - bloße Beschreibung - reine Erzählung hinlänglich. 2240

In jeder Bewegung in der Natur liegt Grund zu einer beständigen Mobilität. 2241

Die Natur ist nichts als lauter Vergangenheit - ehemalige Freiheit - daher durchaus Boden der Geschichte. 2242

Hemsterhusiana. Je geistiger desto dauernder der Genuß. Kein Grad der Vereinigung der Wesen ist ohne Frucht. Körper und Geist sind durch eine Art von freiwilliger Trunkenheit vermischt worden. Grund der Simplizität des großen Mannes. 2243

"Der Mensch suchte frühzeitig die Ursache des Weltalls." [Hemsterhuis.] Der Ausdruck dieses Gesetzes bedurfte, um verständlich zu sein, eines Geistes, der das Universum machen könnte und in sich wirklich zustande brächte - (potentiell). Hemsterhuis glaubt, der Mensch müsse sich mit der äußern symptomatischen Kenntnis der Struktur des Weltalls begnügen. 2244

"Gott schafft auf keine andre Art, als wir - Er setzt nur zusammen. Ist die Schöpfung sein Werk, so sind wir auch sein Werk" [Hemsterhuis:] Aristée. - Wir können die Schöpfung als Sein Werk nur kennenlernen, inwiefern wir selbst Gott sind. Wir kennen sie nicht, inwiefern wir selbst Welt sind - die Kenntnis ist zunehmend - wenn wir mehr Gott werden. Kennt sich Gott selbst? Oder haben wir den transzendentalen Gesichtspunkt für ihn? Dies ist Unsinn. Dem höhern Gesichtspunkte steht der untere oder niedrigere entgegen. Der transzendentale Gesichtspunkt zerfällt in diese beiden Arten. 2245

Sollte es nicht in der Philosophie einen Himmel, das ist einen unendlichen Inbegriff von Systempotenzen geben? unter beständiger Voraussetzung eines unendlichen Zentralkörpers - welches kein andrer als der Himmel selhst ist - in dem wir leben, weben und sind.
Die Erfahrung ist die Probe des Rationalen, der Demonstration, so wie umgekehrt die Erfahrung durch Demonstration bestätigt und komplettiert wird.
Die Unzulänglichkeit der bloßen Theorie in der Anwendung, über die der Praktiker oft kommentiert, findet sich gegenseitig in der rationellen Anwendung der bloßen Erfahrung, und wird von dem echten Philosophen eben auch gerügt, wenngleich mit bescheidnerer Einsicht des allgemeinen, natürlichen Grundes derselben, ohne deshalb die bloße Erfahrung schlechthin zu verwerfen, wie so oft, im ersten Falle, der Praktiker mit der bloßen Theorie verfährt. 2246

Unser Körper soll willkürlich, unsre Seele organisch werden. 2247

Über die Fichtische Darstellungsart. Mein Gespräch mit Sillig. Offenbarungspunkte. Divinatorischer Sinn - Reihe der Individualformen. Wissenschaften a priori der andern Weltkörper. 2248

Elemente des Gliedes, und Elemente des Individuums müssen streng unterschieden werden; denn ein Individuum kann Glied zugleich sein. 2249

Je mehr Gegenstand, desto größer die Liebe zu ihm, - einem absoluten Gegenstand kommt absolute Liebe entgegen. Zu dir kehr' ich zurück, edler Kepler, dessen hoher Sinn ein vergeistigtes, sittliches Weltall sich erschuf, statt daß in unsern Zeiten es für Weisheit gehalten wird - alles zu ertöten, das Hohe zu erniedrigen, statt das Niedre zu erheben und selber den Geist des Menschen unter die Gesetze des Mechanismus zu beugen. 2250

Unser Körper ist ein Teil der Welt - Glied ist besser gesagt. Es druckt schon die Selbständigkeit, die Analogie mit dem Ganzen - kurz, den Begriff des Mikrokosmus aus. Diesem Gliede muß das Ganze entsprechen. Soviel Sinne, sovicl Modi des Universums - das Universum völlig ein Analogon des menschlichen Wesens in Leib, Seele und Geist. Dieses Abbreviatur, jenes Elongatur derselben Substanz. 2251

Es ist nicht genug, das Einzelne, Besondere zu universalisieren - sondern man muß auch das Universum zu individualisieren streben. Ebenfalls ist es nicht genug zu vergleichen, sondern man muß auch zu unterscheiden wissen. a ist der Weg von der Natur zum Geiste, b der Weg vom Geiste zur Natur (der moralische Weg). 2252

Sollten die Weltkörper Versteinerungen sein? Vielleicht von Engeln .... 2253

Mögliche Veränderung des Weltraums. Unpoesie der astronomischen Natur. 2254

Die Himmelskörper machen ein viertes Reich aus, unter den Steinen. 2255

So wie nichts frei, so kann auch nichts gezwungen sein, als der Geist. Nur ein Geist kann wozu gezwungen werden. Was sich also zwingen läßt, ist Geist - insofern es sich zwingen läßt. 2256

Die Welt ist ein Universaltropus des Geistes, ein symbolisches Bild desselben. 2257

Sinne der ersten, zweiten, dritten Hand usw. 2258

Eine Idee ist desto gediegener, individueller und reizender, je mannigfaltigere Gedanken, Welten und Stimmungen sich in ihr kreuzen, berühren Wenn ein Werk mehrere Veranlassungen, mehrere Bedeutungen, mehrfaches Interesse, mehrere Seiten überhaupt, mehrere Arten verstanden und geliebt zu werden hat, so ist es gewiß höchst interessant - ein echter Ausfluß der Persönlichkeit. Wie sich die höchsten und gemeinsten Menschen, die höchst- und gemeinverständlichsten, gewissermaßen gleichen, so auch mit den Büchern. Vielleicht gleicht das höchste Buch einem Abc-Buch. Überhaupt ist es mit den Büchern und mit allem so wie mit den Menschen. Der Mensch ist eine Analogienquelle für das Weltall. 2259

Pflanzen wirken auf den Pflanzensinn des Menschen, Tiere auf den Tiersinn, Steine auf den Steinsinn des Menschen .... 2260

Man kann nur dann die Welt verstehn, id est vergleichen, wenn ich selbst eine ausgebildete Welt im Kopfe habe. 2261

Platos Ideen - Bewohner der Denkkraft - des innern Himmels.
(Jede Hineinsteigung - Blick ins Innre - ist zugleich Aufsteigung - Himmelfahrt - Blick nach dem wahrhaft Äußern.) (Beziehung auf ein ~ragment [18?] im "Blütenstaube".) 2262

Sieht man etwa jeden Körper nur so weit, als er sich selbst sieht - und man sich selbst sieht? In allen Prädikaten, in denen wir das Fossil sehn, sicht es uns wieder. (Schluß auf den Glauben.) 2263

Jedes Willkürliche, Zufällige, Individuelle kann unser Weltorgan werden. Ein Gesicht, ein Stern, eine Gegend, ein alter Baum usw. kann Epoche in unserm Innern machen - Dies ist der große Realism des Fetischdienstes. 2264

Die Bäume scheinen unter allen Pflanzen die edelsten, weil ihre unzähligen Individuen so sehr mittelbar nur noch an der Erde hängen, und gleichsam schon Pflanzen auf Pflanzen sind.

Die Sinne sind an den Tieren, was Blätter und Blüten an den Pflanzen sind. Die Bluten sind Allegorien des Bewußtseins oder des Kopfs. Eine höhere Fortpflanzung ist der Zweck dieser höheren Blüte, eine hohere Erhaltung: bei den Menschen ist es das Organ der Unsterblichkeit, einer progressiven Fortpflanzung der Personalität. Merkwürdige Folgerungen für beide Reiche. 2265

Die Einteilung in fünf Sinne ist ganz unrichtig. Unsre Sinne sind höhere Tiere. Aus ihnen entsteht ein noch höherer Animalismus. 2266

Nerven sind höhere Wurzeln der Sinne. 2267

Aller innere Sinn ist Sinn für Sinn. 2268

Stoff - reiner Stoff - Vehikel der freiesten Wirksamkeit des Geistes - wahrhaftes Element der Freiheit - absolut reizbar für den Geist. Reine Idee, absolute Funktion dieses Stoffs - bestimmte Idee - durch andre Funktionen dieses Stoffs - bestimmte Funktion desselben. 2269

Die Idee vom Mikrokosmus ist die höchste für den Menschen. (Kosmometer sind wir ebenfalls.) 2270

Durch den Menschen wird des Menschen Welt so zusammengehalten wie seines Körpers Bestandteile durch sein Leben. 2271

Sollte die Schwere unser Isolator sein? Was die freie Evolution unsers Geistes, unsre Einwirkung aufs Universum, unsre Brechung in unendliche Sinne hindert ? ... 2272

Theologische Physik. Theophrast Paracels. In Gott können wir nichts sehen, denn in ihm ist alles ganz und vollkommen. Er bricht nichts. Aber in seinen Geschöpfen läßt sich die Anatomie der Weisheit und Kunst sehn. So ist in Kräutern, Steinen usw. Astronomie, Nekromantie, Medizin usw. anzutreffen. 2273

Die Welt ist, wie Objekt überhaupt, Resultat eines unendlichen Einverstandnisses und unsere innere Pluralität ist der Grund der Weltanschauung. 2274

Wenn alles Anschießcn, Festwerden und Verdichten mit Wärme verbunden - und jede Verflüchtigung, Zerrinnung und Verdünnung von Kälte begleitet ist, so macht das Lernen und Lieben im eigentlichen Sinne warm, und das Müßiggehn und die Absonderung kalt - und es lassen sich überhaupt manche Phänomene der Seele hieraus erklären. 2275

Gebrochne Gedanken sind Anschauungen und Empfindungen - also Körper.
Alles, was man denken kann, denkt selbst - ist ein Denkproblem - Geheimnis - wirft dir Gedanken zurück. Gedankenleiter und Isolatoren. 2276

Sonderbar, daß man bisher so wenig auf das Phänomen achtgegeben hat, daß durch das Zerfließen die spezifische Schwere zunimmt.
Mit der Welt entsteht die Begierde - ein Hang zum Zerfließen, oder die Schwere. 2277

Wenn Gott Mensch werden konnte, kann cr auch Stein, Pflanze, Tier und Element werden, und vielleicht gibt es auf diese Art eine fortwährende Erlösung in der Natur.
Die Individualität in der Natur ist ganz unendlich. Wie sehr belebt diese Ansicht unsre Hoffnungen von der Personalität des Universums.
Bemerkungen über das, was die Alten Sympathie nannten?
Auch unsre Gedanken sind wirksame Faktoren des Universums. 2278

Die Natur fängt, um mich so auszudrücken, mit dem Abstrakten an. Der Grund der Natur ist, wie Mathematik, durchaus notwendige Hypothese. Die Natur geht auch a priori ad posterius - wenigstens für uns. Die Personalität ist ihr entgegen. Sie ist ein gehemmter Personifikationsprozeß. Je gehemmter, desto natürlicher. 2279

In der Tugend verschwindet die lokale und temporelle Personalität. Der Tugendhafte ist als solcher kein historisches Individuum. - Es ist Gott selbst. 2280

Kraft ist die Materie der Stoffe. Seele die Kraft der Kräfte. Geist ist die Seele der Seelen. Gott ist der Geist der Geister. 2281

Der Akt des sich selbst Überspringens ist überall der höchste - der Urpunkt - die Genesis des Lebens. So ist die Flamme nichts als ein solcher Akt - So hebt alle Philosophie da an, wo das Philosophierende sich selbst philosophiert - d. h. zugleich verzehrt (bestimmt, sättigt) und wieder erneuert (nicht bestimmt, frei läßt). - Die Geschichte dieses Prozesses ist die Philosophie. So hebt alle lebendige Moralität damit an, daß ich aus Tugend gegen die Tugend handle - damit beginnt das Leben der Tugend, durch welches vielleicht die Kapazität ins Unendliche zunimmt, ohne jene eine Grenze - das ist die Bedingung der Möglichkeit ihres Lebens, zu verlieren. 2282

Alles Leben ist ein überschwenglicher Erneuerungsprozeß, der nur (von der Seite) den Schein eines Vernichtungsprozesses hat. Das Präzipitat des Lebens ist ein Lebendiges - Lebenfähiges. - Wie sich Wärme zur Flamme verhält - so x zum Leben.
Der eine Faktor ist ein Lebendiges (Erregbares) - dcr anderc Leben (Reiz) - (x ist subalternes, noch unter der Grenze befindliches Leben - besser unvollkommne Wirkung des Lebens.) Das Produkt ist Leben. Beide Faktoren sind relativ und veränderlich - daraus entsteht eine Reihe von Leben. Leben überhaupt wirkt in allem. Nur heißt dasjenige, dessen Erregung die Grenze nicht erreicht - tot - tote Natur. x ist die Erregung und das Erregende der toten Natur.
Die Kapazität der Materie (Oxygen, organischer Stoff) ist unterschieden - daher es eine Leiter des Lebens gibt. Vielleicht hat die Pflanze ein cinfaches, das Tier ein zweifaches, der Mensch ein dreifaches Leben usw. 2283

Sittlichkeit und Philosophie sind Künste. Erstere ist die Kunst, unter den Motiven zu Handlungen einer sittlichen Idee, einer Kunstidee a priori gemäß zu wählen und auf diese Art in alle Handlungen einen großen, tiefen Sinn zu legen - dem Leben eine höhere Bedeutung zu geben und so die Masse innerer und äußerer Handlungen (innere sind die Gesinnungen und Entschließungen) kunstmäßig zu einem idealischen Ganzen zu ordnen und zu vereinigen. Die andre ist die Kunst, auf eine ähnliche Art mit den Gedanken zu verfahren, unter den Gedanken zu wählen - die Kunst, unsre gesamten Vorstellungen nach einer absoluten, künstlerischen Idee zu produzieren und ein Weltsystem a priori aus den Tiefen unsers Geistes herauszudenken - das Denkorgan aktiv - zur Darstellung einer rein intelligiblen Welt zu gebrauchen.
(Kunst, Philosoph zu werden, ist die Methodik - Kunst, sittlicher Mensch zu werden - die Asketik.) Eigentlich wird in allen echten Künsten eine Idee - ein Geist realisiert - von innen heraus produziert - die Geisterwelt. Für das Auge ist es die sichtbare Welt a priori - für das Ohr die hörbare Welt a priori - für das sittliche Organ die sittliche Welt a priori - für das Denkorgan die denkbare Welt a priori und so weiter. Alle diese Welten sind nur verschiedene Ausdrücke verschiedener Werkzeuge eines Geistes und einer Welt. 2284

Es gibt drei Hauptmenschenmassen: Wilde, zivilisierte Barbaren, Europäer. Der Europäer ist so hoch iiber dem Deutschen, als dieser über dem Sachsen, der Sachse über dem Leipziger. Über ihm ist der Weltbürger. Alles Nationale, Temporelle, Lokale, Individuelle läßt sich universalieren und so kanonisieren und allgemein machen. Christus ist ein so veredelter Landsmann. Dieses individuelle Kolorit des Universellen ist sein romantisierendes Element. So ist jeder National- und selbst der personliche Gott ein romantisiertes UniverSum. Die Persönlichkeit ist das romantische Element des Ichs. 2285

Weltpsychologie. Den Organism wird man nicht ohne Voraussetzung einer Weltseele, wie den Weltplan nicht ohne Voraussetzung eines Weltvernunftwesens, erklären können.
Wer bei der Erklärung des Organism keine Rücksicht auf die Seele nimmt und das geheimnisvolle Band zwischen ihr und dem Körper. der wird nicht weit kommen. Leben ist vielleicht nichts anders als das Resultat dieser Vereinigung - die Aktion dieser Berührung.
Wie das Licht bei dem Reiben des Stahls an den Stein, der Ton bei der Berührung des Bogens und der Saite, die Zuckung bei Schließung und Öffnung der galvanischen Kette erfolgt, so vielleicht das Leben bei Erweckung (Penetration) des organischen Stoffs.
Indirekte Konstruktion. Das Rechte erscheint von selbst, wenn die Bedingungen seiner Erscheinung eintreten. Die mechanische Operation verhält sich durchaus zu dem höhern Resultat wie Stahl, Stein und Berührung zum Funken (freie Mitwirkung).
Jede Wirkung ist von einem höhern Genius bcgleitet.
Die individuelle Seele soll mit der Weltseele übereinstimmend werden. Herrschaft der Weltseele und Mitherrschaft der individuellen Seele. 2286

Jede Person, die aus Personen besteht, ist eine Person in der zweiten Potenz, - oder ein Genius. In dieser Beziehung darf man wohl sagen, daß es keine Griechen, sondern nur einen griechischen Genius gegeben hat. Ein gebildeter Grieche war nur sehr mittelbar und nur zu einem sehr geringen Teil sein eigncs Wcrk. Daher erklärt sich die große (und reine) Individualität der griechischen Kunst und Wissenschaft, wobei doch nicht zu leugnen ist, daß an einigen Grenzen ägyptischer und orientalischer Mystizismus sie angegriffen und modernisiert hat. In Ionien merkt man den erweichenden Einfluß des warmcn asiatischen Himmels, so wie man hingegen in der frühsten dorischen Masse die geheimnisvolle Sprödigkeit und Strenge der ägyptischen Gottheiten gewahr wird. Spätere Schriftsteller haben oft diese alte Manier aus romantischem und modernem Instinkt ergriffen und diese rohen Gestalten, mit neuem Geist beseelt, unter ihre Zeitgenossen gestellt, um sie im leichtfertigen Gange der Zivilisation aufzuhalten und ihre Aufmerksamkeit zurück auf verlassene Heiligtümer zu wenden. 2287

In frühern Zeiten lebten nur Nationen - oder Genien. (Genius [Mensch] in der zweiten Potenz.) Die Alten müssen daher in Masse betrachtet werden. 2288

Der Mensch ist ein sich selbst gegebenes historisches Individuum. Graduelle Menschheit. Wenn die Menschheit die höchste Stufe erreicht hat, so offenbart und schließt das Höhere von selbst sich an. 2289

Vernünftiger Traum - ist Gedanke usw. Gewöllnliche rrräume sind indirekte Gedanken - Symptome des entzündlichen Vernunftmangels. Träumen und Nichtträumen zugleich - synthesiert ist die Operation des Genies - wodurch beides sich gegenseitig verstärkt. (Das analog moralische Träumen.)
Das analog moralisch Sichtbare ist das Schöne. Das analog moralische Denken macht den Philosophen. Das analog moralische Sprechen - den Redner und Dichter. 2290

Denken im gewöhnlichen Sinn ist Denken des Denkens, Vergleichen usw. der spezifisch verschiednen Gedanken. Direktes Träumen - reflektiertes Träumen - potenziertes Träumen. 2291

... Zur Wissenschaft ist der Mensch nicht allein bestimmt, der Mensch muß Mensch sein, zur Menschheit ist er bestimmt, Universaltendenz ist dem eigentlichen Gelehrten unentbehrlich. Aber nie muß der Mensch wie ein Phantast etwas Unbestimmtes, ein Kind der Phantasie, ein Ideal suchen. Er gehe nur von bestimmter Aufgabe zu bestimmter Aufgabe fort. Eine unbekannte Geliebte hat freilich einen magischen Reiz. Das Streben nach dem Unbekannten, Unbestimmten ist äußerst gefährlich und nachteilig. Offenbarungen lassen sich nicht mit Gewalt erzwingen.
Der echt idealistische Weg des Physikers ist nicht, aus dem Einfachen, Zersplitterten das Zusammengesetzte, Verbundene, sondern umgekehrt zu erklären. Aus einem Naturstand wird nie ein Staat, aber wohl aus einem Staat ein Naturstand entstehen. Durch Ausartung ist die Natur entstanden. Aus der Sensibilität erklärt die Schwere, nicht aus Schwere, Elektrizität usw. die Sensibilität. Aus Gedanken erklärt die Entstehung der Schwere. Der Geisterwelt gehört das erste Kapitel in der Physik. Die Natur kann nicht stillstehend, sie kann nur fortgehend zu Moralität erklärt werden.
Einst soll keine Natur mehr sein. In eine Geisterwelt soll sie allmählich übergehn. 2292

Die Blüte ist schon eine Annäherung zum Tierischen. Ist vielleicht das Höchste des Tiers ein der Pflanze sich näherndes Produkt? ... 2293

Mehrere Stoffe zusammen bilden: organische Stoffe, mehrere Kräfte zusammengenommen: lebendige Kräfte, mehrere Kontraktionen: Empfindungen, mehrere Sensationen: Gedanken, mehrere Gedanken: Ideen usw. Mehrere Menschen: Genien, mehrere Tiere: Menschen; mehrere Pflanzen: Tiere; mehrere Stoffe: Pflanzen; mehrere Elemente: Stoffe. 2294

Physik und Zukunftslehre. Eine Generation ist der Keim der unendlichen Generation - die das Weltdrama beschließt.
Die echte Generation ist unsre Menschwerdung.
Die gewöhnlichen Generationen sind nur Bedingungsprozesse der echten Generation. 2295

Anthropologie. Mit Instinkt hat der Mensch angefangen - mit Instinkt soll der Mensch endigen. Instinkt ist das Genie im Paradiese - vor der Periode der Selbstabsonderung (Selbsterkenntnis). (Soll der Mensch sich selbzweien, und nicht allein das, sondern auch selbdreien usw.) 2296

Enzyklopädistik. Die Politik - die Gesellschaftslehre - die Ehetheorie - gehören in die höhere Wissenschaftslehre, wo von zusammengesetzten Menschen gehandelt wird 2297

Die Erhebung ist das vortreffliche Mittel, was ich kenne, um auf einmal aus fatalen Kollisionen zu kommen. So z. B. - die allgemeine Erhebung in Adelstand - die Erhebung aller Menschen zu Genies - die Erhebung aller Phänomene in Wunderstand - der Materie zu Geist - des Menschen zu Gott - aller Zeit zur goldnen Zeit usw. 2298

Schranken der menschlichen Erkenntnis. - Konstitution der Intelligenz. Graderhöhung der Konstitution. 2299

Zweite - immanente Generation ist Verstandesbewußtseinsentstehung - Operations-Existenzreihen - Synthetische Existenzen - Daseinspotenzen. 2300

Alle Kräfte sind Prozesse - Aktionen.
Alle Kräfte erzeugen sich selbst fortwährend.
Je höher die Kräfte desto persönlicher. 2301

Unser Geist ist ein Verbindungsglied des völlig Ungleichen. 2302

Der Mensch ist unter den Tieren oder in der Natur, was Staat und Philosophie in ihren Verhältnissen sind - das Assoziationswesen. 2303

Das Tier lebt im Tiere, in der Luft. - Die Pflanze ist ein Halbtier, daher sie zum Teil in der Erde. der großen Pflanze, zum reil in der Luft lebt. - Die Erde ist das große Nahrungsmittel der Luft. Die Luft ist ein Brahmane. - Die Verbindung des Stickstoffs und Oxygens in der Luft ist durchaus animalisch, nicht bloß chemisch. 2304

"Instinkt ist das Resultat der Wirksamkeit des Anschauungsvermögens auf wenige, klare, koexistierende Ideen." [Hemsterhuis.]
(So wären Instinkt und Genie nur quantitativ verschieden.) 2305

Das Genie überhaupt ist poetisch. Wo das Genie gewirkt hat - hat es poetisch gewirkt. Der echt moralische Mensch ist Dichter. 2306

Der Maler hat so einigermaßen schon das Auge - der Musiker das Ohr - der Poet die Einbildungskraft - das Sprachorgan und die Empfindung - oder vielmehr schon mehrere Organe zugleich - deren Wirkungen er vereinigt auf das Sprachorgan oder auf die Hand hinleitet (der Philosoph das absolute Organ) - in seiner Gewalt und wirkt durch sie beliebig, stellt durch sie beliebig Geisterwelt dar - Genie ist nichts als Geist in diesem tätigenGebrauch derOrgane. - Bisher haben wir nur einzelnes Genie gehabt - der Geist soll aber total Genie werden.
Fichte hat nur eine einzelne Idee erst auf diese Art zu realisieren angefangen - die Idee eines Denksystems. Wer also dieser Idee teilhaftig werden will - muß es ihm nachn1achen - versteht sich durch Selbsttätigkeit nach dieser Idee. In der Idee muß das vollständige Gesetz ihrer Auflösung liegen. 2307

Journale sind eigentlich schon gemeinschaftliche Bücher. Das Schreiben in Gesellschaft ist ein interessantes Symptom - das noch eine große Ausbildung der Schriftstellerei ahnden läßt. Man wird vielleicht einmal in Masse schreiben, denken und handeln. Ganze Gemeinden, selbst Nationen werden ein Werk unternehmen. 2308

Einfache Gedanken - zusammengesetzte Gedanken und Gedankensysteme. Unvollkommen zusammengesetzte Gedanken - Irrationale Gedanken. Wer viel lebendige Gedanken hervorbringen kann, heißt Genie. 2309

Naturlehre. Die Natur verändert sich sprungweise. Folgerungen daraus. Synthetische Operationen sind Sprünge - (Einfälle - Entschlüsse). Regelmäßigkeit des Genies - des Springers par excellence. 2310

Angewandte Geistlehre. Genie ist gleichsam Seele der Seele - es ist ein Verhältnis zwischen Seele und Geist. Man kann das Substrat oder Schema des Genies sehr füglich Idol nennen - das Idol ist ein Analogon des Menschen. 2311

Kann man Genie sein und werden wollen? So mit dem Witz, dem Glauben, der Religion usw.
Es hat in Beziehung auf das Genie bisher beinah das Prädestinationssystem geherrscht. Die zum Teil wahre Beobachtung liegt zum Grunde - daß der Wille anfangs ungeschickt wirkt - und das Naturspiel stört - (Affektation) und einen unangenehmen Eindruck macht - im Anfang durch Teilung der Kraft (bei der Aufmerksamkeit) sich selbst untergräbt - und aus mangelhaftem Reiz und mangelhafter Kapazität das nicht zu leisten vermag, was er dunkel, instinktartig beabsichtigt. 2312

Sollte es nicht ein Vermögen in uns geben, was dieselbe Rolle hier spielte, wie die Feste außer uns - der Äther - jene unsichtbar sichtbare Materie, der Stein der Weisen - der überall und nirgends, alles und nichts ist - Instinkt oder Genie heißen wir sie. - Sie ist überall vorher. Sie ist die Fülle der Zukunft - die Zeitenfülle überhaupt - in der Zeit, was der Stein der Weisen im Raum ist - Vernunft - Phantasie - Verstand und Sinn (Bedeutung 3 - 5 Sinne) sind nur ihre einzelnen Funktionen. 2313

Wer weiß, was für wunderbare Resultate der Isochronism mehrfacher Handlungen geben würde - so wie Feuerstein und Stahl einen lichten Funken durch stoßweise Reibung geben. 2314

Eine wahrhafte Liebe zu einer leblosen Sache ist wohl gedenkbar - auch zu Pflanzen, Tieren, zur Natur - ja zu sich selbst. Wenn der Mensch erst ein wahrhaft innerliches Du hat - so entsteht ein höchst geistiger und sinnlicher Umgang und die heftigste Leidenschaft ist möglich - Genie ist vielleicht nichts als Resultat eines solchen innern Plurals. Die Geheimnisse dieses Umgangs sind noch sehr unbeleuchtet. - 2315

Statt Einfallskraft - Unterbrechungskraft, da wir allemal auf der Linie sind, mit der die allgemeine Sphäre am besten verglichen wird.
Anschauung und Vorstellung scheinen mir zwar aufs strengste getrennte, aber insofern eins zu sein - daß beide dieselbe Linie, nur in entgegengesetzter Richtung sind. Diese Zirkellinie ist so groß und so klein, als man will, es kommt ja nur auf die unendliche Teilbarkeit und Teilung derselben an. 2316

Sur les Désirs. Ohne Organ würde die Seele im Moment von dem unendlichen Objekt durchdrungen - beide würden eins - und der Wechselgenuß vollkommen sein.
Wo sie Organe nötig hat, wie in ihrem ganzen jetzigen Zustande, bleibt jenes Ideal des Genusses eine unerreichbare Idee - ein ewiger Reiz, welches er durch seine Erreichung aufhören würde zu sein.
Es ist also eine subjektive Idee, die wächst, so wie die Seele wächst - eine unbestimmte Aufgabe - die nie gelöst werden kann, weil sie auf unendliche Arten, stets relativ nur, gelöst wird.
Durch die bleibende Möglichkeit der Ausdehnung des Objekts - bleibt auch die gänzliche Vereinigung immer künftig.
Die bloße Geschwindigkeit macht aber nicht allein die Vollkommenheit aus, sondern auch die Deutlichkeit und Beharrlichkeit der Apperzeption.
Hemsterhuis' Unterschied zwischen Genie, Scharfsinn, Verstand und Stumpfsinn. 2317

Wenn die Welt gleichsam ein Niederschlag aus der Menschennatur ist, so ist die Götterwelt eine Sublimation - Beide geschehn uno actu - Kein plastisches Präzipitat ohne geistiges Sublimat. Was jenes an Wärme verliert, gewinnt dieses. Gott und Welt entsteht in einem Wechsel zugleich - durch cine Zersetzung der Menschennatur. (Böse und gute Geister sind gleichsam Stickluft und Lebensluft. Zum tierischen Leben gehören beide - und der tierische Körper besteht großenteils aus bösem Geiststoff.) 2318

Mystischer Glaube und Anhänglichkeit an das, was einmal da ist, das Alte, Bekannte - und mystische Hoffnung und Freude auf alles, was da kommen soll - das Neue, Unbekannte - dies sind zwei sehr wichtige Charakterzüge der bisherigen Menschheit. 2319

Ehemals war alles Geistererscheinung. Jetzt sehn wir nichts als tote Wiederholung, die wir nicht verstehn. Die Bedeutung der Hieroglyphe fehlt. Wir leben noch von der Frucht besserer Zeiten. 2320

Das Wesentliche des Lebens ist das unaufhörliche, gleichformige Strömen von z durch y. z gibt im Durchgehn neue Energie der Kapazität - neue Repulsivenergie gegen das äußre Z.
Z überwältigt y + z - entzündet es - bloß durch Übermacht des Z gegen z - Aber gerade in dem Augenblick der Überwältigung, dem Moment u verliert Z an y + z etwas - es geht etwas von ihm hinüber - und so dauert das Leben von y + z durch den immer erneuten Kampf und Sieg - durch den verlängerten Moment u fort. 2321

Aller Anfang des Lebens muß antimechanisch - gewaltsamer Durchbruch - Opposition gegen den Mechanism sein - absolute Materie - primitives Element des Geistes = Seele. 2322

Alles Leben ist ein ununterbrochner Strom - Leben kommt nur vom Leben und so fort. Höhere Erklärung des Lebens. 2323

Die Einbildungskraft ist der wunderbare Sinn, der uns alle Sinne ersetzen kann - und der so sehr schon in unsrer Willkür steht. Wenn die äußern Sinne ganz unter mechanischen Gesetzen zu stehn scheincn - so ist die Einbildungskraft offenbar nicht an die Gegenwart und Berührung äußrer Reize gebunden. 2324

Auf der Welt soll ich und will ich im Ganzen. nicht willkürlich wirken - dafür hab' ich den Körper. - Durch Modifikation meines Körpers modifiziere ich mir meine Welt, durch Nichtwirksamkeit auf das Gefäß meines Daseins bilde ich mir ebenfalls indirekte meine Welt. 2325

Der vollkommen Besonnene heißt der Seher.
Als irdische Wesen streben wir nach geistiger Ausbildung - nach Geist überhaupt.
Als außerirdische, geistige Wesen nach irdischer Ausbildung - nach Körper überhaupt.
Nur durch Sittlichkeit gelangen wir beide zu unsern Zwecken. Ein Dämon, der erscheinen kann - wirklich erscheinen - muß ein guter Geist sein. So wie der Mensch (der wirklich Wunder tun kann) - der wirklich mit den Geistern Umgang pflegen kann. Ein Mensch, der Geist wird - ist zugleich ein Geist. der Körper wird. Diese höhere Art von Tod wenn ich mich so ausdrücken darf, hat mit den gemeinen Tode nichts zu schaffen - es wird etwa~ sein, was wir Verklärung nennen können.
Der Jüngste Tag wird kein einzelner Tag, sondern nichts als diejenige Periode sein, die man auch das tausendjährige Reich nennt.
Jeder Mensch kann seinen Jüngsten Tag durch Sittlichkeit herbeirufen. Unter uns währt das tausendjährige Reich beständig. Die Besten unter uns, die schon bei ihren Lebzeiten zu der Geisterwelt gelangten - sterben nur scheinbar; sie lassen sich nur scheinbar sterben - so erscheinen auch die guten Geister, die bis zur Gemeinschaft mit der Körperwelt ihrerseits gelangten - nicht, um uns nicht zu stören. Wer hier nicht zur Vollendung gelangt, gelangt vielleicht drüben - oder muß eine abermalige irdische Laufbahn beginnen.
Sollte es nicht auch drüben einen Tod geben, dessen Resultat irdische Geburt wäre.
So wäre das Menschengeschlecht kleiner - an Zahl geringer als wir dächten. Doch läßt es sich auch noch anders denken.
Gespenster - indirekte, falsche, täuschende Verklärung - Resultat der Verfinsterung. Nur dem Weisen, dem schon hienieden Verklärten, erscheinen verkörperte Geister. 2326

Vernunftlosigkeit gehört mit in den Charakter des Tiers. Sichtbare Unvernunft - negativer Charakter des Tierkörpers. Charakter des Menschenkörpers - sichtbare Vernünftigkeit.
Der positive Charakter des Tierkörpers - bestimmt den negativen Charakter der Pflanze und so bis zum Fossil.
Hindeutung der chemischen Analyse auf die künstlichere Generation der Pflanzen- und Tierwelt.
Durch die Vernunft erhalten die innern Fähigkeiten, die Seele eine ganz andre Bedeutung.
Die Seele und die innern Fähigkeiten des Tiers sind durch die niedrigere Einheit schon ganz anders modifiziert. Vielleicht ist Nutzen sein Höchstes Mit der Pflanze und dem Fossil verhält es sich ebenso.
So wie die Natur und Individualität jedes Fossils m i t durch die Natur und Individualität seines Planeten - dessen Natur und Individualität durch die seines Systems - dessen Natur und Individualität durch die seiner Milchstraße und so fort bestimmt ist, so verhält es sich auch mit dem Menschen, wenn wir unter Menschheit das Vernunftprodukt - oder Wesen im Weltganzen - verstehn. Die Natur und Individualität der Menschheit dieses Planeten - ist durch die seines Systems und so fort bestimmt. Wir sind nur in dieser Welt diese beschränkten Wesen - doch nicht für immer beschränkt. 2327

Wenn ein Geist stirbt, wird er Mensch. Wenn der Mensch stirbt, wird er Geist. Freier Tod des Geistes freier Tod des Menschen.
Was korrespondiert der menschlichen Existen, drüben? Die Dämonen- oder Genienexistenzen, denen der Körper das ist, was uns die Seele ist .... 2328

Vereinigung von Zu- und Abnehmen in einer Bewegung - (Zirkelkrumme Linien.)
Mehr Vereinigungen der Art, z. B. Vereinigung von Schlaf und Wachen in einem Zustande.
(Sollte die Seele in der Nacht auch zu den Antipoden gehn - in die Welt, WO alles ist wie hier. nur umgekehrt in Beziehung auf Zeit? Mehr von den Antipodcn usw. in Beziehung auf den innern Menschen. Sogenannte Geister sind nurMenschenantipoden.) 2329

Alles ist von selbst ewig. Die Sterblichkeit Wandelbarkeit ist gerade ein Vorzug höherer Naturen.
Ewigkeit ist ein Zeichen, sit venia verbis, geistloser Wesen. Synthesis von Ewigkeit und Zeitlichkeit. 2330

Ritter will die Notwendigkeit und Realität einer Naturphilosophie durch Reduktion zeigen und die Unvollständigkeit einer Physik ohne sie. Nach Ritter verschwindet das Ponderable an einem Ortc, um am andern wieder zu entstehen.
Ritter nimmt überhaupt die Möglichkeit einer Transsubstantiation an. 2331

Ritters Ansicht der Entstehung und Verschwindung der Stoffe gibt auch Licht über den Tod - Wer weiß, wo wir in dem Augenblick anschießen - in dem wir hier verschwinden - Muß denn auf allen Weltkörpern einerlei Art der Erzeugung sein? - Der Einfluß der Sonne macht es wohl wahrscheinlich, daß es die Sonne sein könnte, wo wir wieder abgesetzt werden. 2332

Das System der Moral muß System der Natur werden. Alle Krankheiten gleichen der Sünde, darin, daß sie Transzendenzen sind. Unsre Krankheiten sind alle Phänomene einer erhöhten Sensation die in höhere Kräfte übergehen will. Wie der Mensch Gott werden wollte, sündigte er. - Krankheiten der Pflanzen sind Animalisationen Krankheiten der Tiere Rationalisationen, Krankheiten der Steine Vegetationen. Sollte nicht jeder Pflanze ein Stein und ein Tier entsprechen? Realität der Sympathie. Parallelismus der Naturreiche. - Pflanzen sind gestorbene Steine, Tiere gestorbene Pflanzen usw.

Theorie der Metempsychose. 2333

Jahreszeiten, Tageszeiten, Leben und Schicksale sind alle, merkwürdig genug, durchaus rhythmisch, metrisch, taktmäßig. In allen Handwerken, und Künsten, allen Maschinen, den organischen Körpern, unsren täglichen Verrichtungen, überall: Rhythmus, Metrum, Taktschlag, Melodie. Alles, was wir mit einer gewissen Fertigkeit tun, machen wir unvermerkt rhythmisch. Rhythmus findet sich überall, schleicht sich überall ein. Aller Mechanism ist metrisch, rhythmisch. Hier muß noch mehr drin liegen. - Sollt' es bloß Einfluß der Trägheit sein? 2334

Alle Wahrheit besteht in innerer, eigner Harmonie und Konkordanz - Koinzidenz - also hl der echten Gliederung und im echten Handel - sowohl in Objekt - als Subjekt. 2335

Innres Zusammentreffen - prächtige Harmonie. 2336

Nur der Geist sieht, hört - und fühlt - So lange das Auge, das Ohr und die Haut!!! noch affiziert sind von den Medien ihrer Gegenstande - den Inzitamenten - so lange sie noch nicht rein leiten - heraus und hinein - so lange sieht und hört und fühlt der Geist noch nicht ordentlich. Erst wenn die Erregung vorbei - und das Organ vollkommner Leiter geworden ist - usw. 2337

Selbstempfinden - wie Selbstdenken: aktives Empfinden. Man bringt das Empfindungsorgan wie das Denkorgan in seine Gewalt. 2338

Stimmungen, unbestimmte Empfindungen, nicht bestimmte Empfindungen und Gefühle machen glücklich. Man wird sich wohlbefinden, wenn man keinen besondern Trieb, keine bestimmte Gedanken- und Empfindungsreihe in sich bemerkt. Dieser Zustand ist wie das Licht ebenfalls nur heller oder dunkler. Spezifische Gedanken und Empfindungen sind seine Konsonanten. Man nennt es Bewußtsein. Vom vollkommensten Bewußtsein läßt sich sagen, daß es sich alles und nichts bewußt ist. Es ist Gesang, bloße Modulation der Stimmungen - wie dieser der Vokale oder Töne. Die innere Selbstsprache kann dunkel, schwer und barbarisch - und griechisch und italienisch sein - desto vollkommner, je mehr sie sich dem Gesange nähert. Der Ausdruck: er versteht sich selbst nicht, erscheint hier in einem neuen Lichte. Bildung der Sprache des Bewußtseins, Vervollkommnung des Ausdrucks, Fertigkeit sich mit sich selbst zu hesprechen. Unser Denken ist also eine Zweisprache, unser Empfinden Sympathie . 2339

Über die Empfindung des Denkens im Körper. 2340

Beweis des Denkens und Empfindens in der anorganischen und vegetabilischen Natur.... 2341

Das Denken ist, wie die Blüte, gewiß nichts als die feinste Evolution der plastischen Kräfte - und nur die allgemeine Naturkraft in der n Dignität. 2342

Kurve des geistigen Lebens - und des physischen Lebens. 2343

Jedes Wort ist ein Wort der Beschwörung. Welcher Geist ruft - ein solcher erscheint. 2344

Berührungen eines Zauberstabs. (Friktion, Lateralwirkung.) 2345

Der größeste Zauberer würde der sein, der sich zugleich so bezaubern könnte, daß ihm seine Zaubereien wie fremde, selbstmächtige Erscheinungen vorkämen. Könnte das nicht mit uns der Fall sein? 2346

Alles ist Zauberei oder nichts. Vernunftmäßigkeit der Zauberei. 2347

Theorie des gemeinen Lebens. Das Fluchen ist eine Art von Selbstbeschwölung - Selbstermannung - Spornung. 2348

Wahnsinn und Bezauberung haben viel Ähnlichkeit. Ein Zauberer ist ein Kunstler des Wahnsinns. 2349

Können Wunder Überzeugung wirken? Oder wäre nicht wahrhafte Überzeugung, diese höchste Funktion unsers Gemüts und unsrer Personalität, das einzige, wahre, Gott verkündende Wunder? Jedes Wunder muß isoliert in uns bleiben, unverknüpft mit unserm übrigen Bewußtsein, ein Traum. Aber eine innige moralische Überzeugung, eine göttliche Anschauung, dies wäre ein reales bleibendes Wunder. 2350

Prinzip der Vervollkommnung in der Menschheit - Die Menschheit wäre nicht Menschheit - wenn nicht ein tausendjähriges Reich kommen müßte. Das Prinzip ist in jeder Kleinigkeit des Alltagslebens, in allem sichtbar. Das Wahre erhält sich immer - das Gute dringt durch - der Mensch kommt wieder empor - die Kunst bildet sich - die Wissenschaft entsteht - und nur das Zufällige, das Individuale verschwindet. Es ist der Kampf des Vergänglichen mit dem Bleibenden - endlich lernt Herkules die immer wachsende Hydra doch töten - endlich muß der Sieg à l'ordre du jour werden - Resultat der berechnetsten, genauesten Kunst - die Kunst muß über die rohe Masse triumphieren - Übung macht den Meister. 2351 Träume der Zukunft - ist ein tausendjähriges Reich möglich - werden einst alle Laster exulieren? Wenn die Erziehung zur Vernunft vollendet sein wird. 2352

Der Jüngste Tag ist die Synthesis des jetzigen Lebens und des Todes (des Lebens nach dem Tode). 2353

Unser Leben ist ein Traum heißt soviel als: unser Leben ist ein Gedanke. Betrachtungen über den Traum im gewöhnlichen Sinne. 2354

Zukunftslehre des Lebens. Unser Leben ist kein Traum - aber es soll und vwird vielleicht einer werden. 2355

Überwindung des Lebens. 2356

Prophezeiungen könnten auch aus Gefälligkeit - und Einmütigkeit des Schicksals mit dem Propheten wahr werden. 2357

Echt historischer Sinn ist der prophetische Visionssinn - erklärbar aus dem tiefen unendlichen Zusammenhange der ganzen Welt. 2358


Note: Novalis, pseudonym of Friedrich von Hardenberg (1772-1801). The pseudonym of this German poet and philosopher came from an earlier family name "de Novali". During law studies in Jena he became acquainted with Schiller, and then in Leipzig he met Schlegel.
The works of Novalis were written during a very short time span, 1797-1801. He is most famous for his romance piece "Heinrich von Ofterdingen" and the "Hymnen and die Nacht", which he wrote in memory of his young love Sophie von Kühn, dead in tuberculosis at the age of 14.
The fragments and encyclopedic notations of Novalis are remarkable, and remarkably modern. "Blütenstaub" is the most famous of his collections of fragments. The New Fragments (Neue Fragmente) and The Encyclopedia (Die Enzyklopädie) are not as aphoristic but more daring. In his "Psychologie", Novalis was influenced by John Brown, a professor of medicine, who claimed that there were only two diseases, sthenic and asthenic, and that stimulants or sedatives, alcohol or opium, were the only options for treatment.
The texts here are from the Ewald Wasmuth edition of Novalis Werke/Briefe/Dokumente (rev. 1957). /KET
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